Jungfrau ✧ Statt verkopfter Eiertanz, weitergehen mitsamt der Angst



Den ganzen Morgen schon fühle ich mich wie ferngesteuert. Obwohl ich weiß, dass ich heute nicht nur einen Text schreiben muss, schleiche ich getrieben um den Computer herum und tausend Dinge fallen mir ein, die zu tun wären. Nur um nicht mit dem Schreiben zu beginnen.


Der Kopf will mir einreden, dass er schon im Vorfeld einen 10-Punkteplan braucht, was da jetzt genau raus kommen wird. Er scheint erst motiviert zu sein, wenn er sicher weiß, ob das Endergebnis auch seinen Vorstellungen entspricht.


Als Überraschung hat er sich auch noch ein paar Streusel für den Problemkuchen überlegt - fiktive Schwierigkeiten, die nur in seiner Welt existieren. Auch für das, was gar nicht ist, hätte er gerne Lösungen.


Irgendwann kommt dann der Punkt, wo ich mir im Gewahrsein dieses in mir ablaufenden Wahnsinns, so auf den Zeiger gehe, dass ich meinen Allerwertesten in einer Zackbumm-Aktion von „Mir reicht’s“ auf den rosa Schreibsessel verfrachte und in die Tasten klopfe. Hinsetzen und schreiben. Mit der Angst, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist. Dem mulmigen Gefühl, es nicht zu können. Dem Gedanken, dass es niemanden interessiert.


Und ich merke beim Schreiben, da geht es um eine breiter aufgestellte irrtümliche Annahme, die uns in vielen Bereichen des Lebens blockiert. Dass es bestimmte Umstände oder ein bestimmtes „Feeling“ braucht, damit wir dieses oder jenes tun können. Dass wir zu 100% Heilung erfahren haben müssen, um weiterzugehen. Dass wir Dinge auf rationaler Ebene begreifen müssen, bevor wir sie zur Anwendung bringen können. Dass es nur richtig sein kann, wenn Punkt Punkt Punkt...

Einer der Gründe, warum ich mich im Tantra so zu Hause fühle ist - über Tantra spricht man nicht, man lebt ihn. Philosophie kann intellektuell verstanden werden, Tantra nicht. Begriffe und Symbole können uns an einen bestimmten Punkt bringen. Jenseits dessen kommen wir jedoch nur durch Praxis, die uns in Erfahrungen führt, die sich jeder Beschreibung entziehen und durch die wir erst wirklich verstehen.

 

 

 

Erst durch die Anwendung ergibt sich Verständnis. Indem wir uns ins Leben werfen, heilen wir. Durch die direkte Begegnung mit der Angst, lernen wir mit ihr weiter zu gehen. Nicht aber, wenn wir sie auf Abstand halten. Wir versuchen, uns tot zu stellen, in der Hoffnung, dass sie uns dann in Ruhe lässt.

Dadurch halten wir uns selbst von dem ab, was wir tun wollen. Die kraftvolle Energie der Angst ist dadurch blockiert. Ihre Energie ist z.B. der Ruck, mit dem ich mich heute zum Computer gesetzt habe oder besser gesagt “gesetzt wurde”. Wenn ich mich nicht dagegen stemme, davonlaufe oder mich ablenke, dann werde ich von ihr wie automatisch an den richtigen Platz gebracht. Das kann ihre Magie sein, aber dazu müssen wir ihr körperlich begegnen.


In unserer Gesellschaft ist Angst eher zum Nicht-Fühlen-Wollen verkommen. Ein aufwendig inszenierter Eiertanz, um sie bloß nicht zu spüren. Dafür die ganze Zeit eng und starr und voller toter Winkel. Ja, du kannst aufhören zu atmen und warten bis der Tag vorbei ist. Die gesellschaftlich geachtete Form davon wäre, dich die ganz Zeit beschäftigt zu halten und zu funktionieren. In beiden Fällen schaust du dem Leben zu, wie es an dir vorüber zieht. Das ist der Preis.

Auch heute habe ich mich dabei ertappt, wie ich Strategien und Lösungen gesucht habe, um die Angst in mir nicht zu spüren. Mich darin verliere, und vollkommen gaga in der Birne mit flattrigen Energien vergesse, dass ich ein glücklicher Mensch bin.
Während des Schreibens merke ich, wie der Körper weich wird. Das Abwehrende, das Zugeschlossene, das Harte, mit dem ich mich an den Computer gesetzt habe, beginnt sich wieder zu bewegen, die Energie frei zu fließen. Obwohl das Mulmige da ist, kommt eine unbändige Freude zurück.

Nur durch die Praxis konnte ich erfahren, was der Geist für unmöglich halten würde. Ich kann Angst und Freude gleichzeitig spüren. Je länger ich körperlich damit forsche, desto mehr merke ich, dass die beiden Zwillings-Geschwister sind, die ineinander fließen und manchmal gar nicht mehr wirklich auseinanderhaltbar sind. Aus der Freude kommt z.B, die Angst, das zu verlieren, worüber ich mich gerade freue. Aus der Angst wiederum entsteht die Freude am Leben zu sein und hier jetzt gerade zu schreiben.

Habe ich zu diesem Zeitpunkt die Sicherheit, dass der Text „gut“ ist?
Nein.
Ist die Angst weg?
Nein.
Blockiert sie mich?
Nein.

Die Angst muss nicht weg. Sie darf da sein. Trotzdem kann ich schreiben. Sie hilft mir, dort meiner Wege zu gehen, wo ich geneigt wäre, es nicht zu tun, obwohl ich zellulär weiss, dass ich es tun muss. Ja es gibt ein paar Zwischenrufe aus der Angst-Abteilung. Das heißt nicht, dass mit dieser Situation etwas falsch ist. Höre ich deswegen auf zu schreiben? Sicher nicht.

Die Idee, dass wir darauf warten, keine Angst mehr zu haben, um dann endlich unser Leben zu leben, ist ein selbst gebautes Gefängnis. Manchmal ist einfach genug gedacht, prozessiert, daran gearbeitet. Dann kommt plötzlich der Punkt, wo wir merken, jetzt ist die Zeit, unser Verhalten zu ändern, statt auf ein Zeichen zu warten. Die Hoffnung, dass spirituelle Entwicklung bedeutet, irgendwann würde alles von alleine passieren, ohne Angst oder Überwindung, kann ich leider nicht bestätigen.


Eher im Gegenteil. Je mehr wir ganz werden, desto mehr wagen wir uns in Räume, die von heftiger Angst begleitet werden. Durch unser Üben mit ihr weiter zu gehen, uns nicht an ihre Geschichten zu klammern und die Angst auf gewisse Art und Weise nicht so ernst zu nehmen, verliert sie ihre blockierende Übermacht.

Wenn du auf den richtigen Zeitpunkt wartest, wartest du eventuell ewig.
Manchmal, da ist der richtige Zeitpunkt auch nur eine Erfindung, um es niemals tun zu müssen.



 

Hast du Lust mit der Angst weiter und verkörperter zu gehen? Nimmst du dir 10 Minuten Zeit?

  • Komme in eine bequeme Sitzhaltung, schließe die Augen und nimm ein paar bewusste Atemzüge.

  • Spüre dann in dir, wo angst-infusionierte Empfindungen wie Getriebenheit, Ferngesteuertsein, Mulmigkeit etc. spürbar sind?
    Wo lebt Angst in deinem Feld?
    Vielleicht in der Empfindung einer zugeschnürten Kehle, in verkrampften Händen oder nach vorne gezogenen Schultern. Atme ein paar Atemzüge weich in die Körperregion.

  • Dann komme ins Stehen und beginne, den Körper zu schütteln. Bringe ihn in Bewegung, atme tiefer, du kannst auch tönen oder deine Stimme in anderer Art nutzen. Es geht nicht darum, die Empfindungen von Angst in deinem Körper weghaben zu wollen, sondern dir ihrer gewahr zu sein und dich TROTZDEM zu bewegen.


    Auch wenn Angst da ist. Du kannst dich bewegen. Wie mega ist das denn!

    Die Energie der Angst fließt vielleicht mit der Zeit sogar in die Bewegung ein.
    Nach ein paar Minuten lasse das Schütteln verklingen und spüre was jetzt zu tun ist.
    Tue es.
    Was auch immer es sein mag.
    Das kann ein Schritt sein, der dich zum nächsten führt.
    Oder auch das eine, vor dem du dich die ganze Zeit drückst.


    Genau durch dieses Anwenden bringst du die Information in dein System, dass du ganz in dir leben und dich bewegen kannst, auch wenn Angst da ist. Wiederhole diese Übung immer und immer wieder. Statt nachzudenken - dich schütteln und mit der Angst, dem Flauen etc. weiter gehen.



Ganz viel Freude und Leichtigkeit
wünsche ich dir im Erkunden, lieber Mensch!
Möge die Liebe von „Mir reicht’s“ dich und uns
an dieser Jungfrau-Neumondin begleiten ♡


Danja

 

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